Dem Holz das Geheimnis entlocken

 

Helmut Frelke: Holzstruktur und Malerei verschmelzen zu einer Einheit

 

 

 

Das Ziel der Kunst sei nicht die Unterhaltung, sondern die sittliche Vervollkommnung des Menschen - soll noch Aristoteles behauptet haben. Zu demselben Gedanken hat sich der Russlanddeutsche Helmut Frelke ganz von allein durchgerungen. Allein schon die Bandbreite seiner Kunst ist beeindruckend: Holzmalerei auf Edelholzfurnieren, Öl-, Keramik- und Wandmalerei, Design und Restaurierungen. Doch: Was Helmut Frelke im Bereich Holzmalerei kreiert, bleibt europaweit einmalig.

 

Zwar wurde bereits seit jeher auf Holz gearbeitet, aber es wurde meist mit Farbe überzogen. „Seit Jahrhunderten wird versucht, die Natur so detailgetreu wie möglich auf die Leinwand zu bringen. Warum eigentlich nicht die Natur als Leinwand für die Kunst benutzen?“, fragte sich Helmut Frelke. Seitdem begann sein „Leben im Holz“.

 

Schon nach den ersten zwei Dutzend Arbeiten waren seine Ausstellungen bundesweit und international ein durchschlagender Erfolg. Mehr als 100 Holzunikate von Frelke wurden bereits in Deutschland und Frankreich ausgestellt, darunter im Deutschen Holzkunstmuseum und in mehreren deutschen Städten. Auch seine Ölmalereien waren schon in Russland, Japan, Frankreich und Deutschland zu sehen: in den Kunstgalerien von Aachen, Berlin, Bonn, Dresden, Frankfurt/Main, Köln, München, Stuttgart, Wolfsburg, Bonn, Hamburg und Siegburg sowie bei den internationalen Messen in Hannover und Köln.

 

Kann Kunst zum Glauben anregen?

 

 

Zum ersten Mal lernte Frelke die Holzkunst 1995 kennen, bei einer Ausstellung in Stuttgart. Die Faszination Holzmalerei ließ ihn nicht mehr los. Einige Werke sind in gemeinsamer Inspiration mit dem Bonner Intarsienkünstler Paul Krenz entstanden: Von ihm stammt die Idee für den „Kreuzweg“, die Skizzen und Ausführung übernahm Helmut Frelke. Die 14 Kreuzwegstationen wurden vom Vatikan auf dem 20. Weltjugendtag in Köln zur Diskussion gestellt. Wohlgemerkt: Der im Holz künstlerisch umgesetzte Leidensweg Christi lässt auch Freiraum für ökumenische Assoziationen.

 

Die Irrwege der Konturen im Wurzelholz provozieren zu außergewöhnlichen Interpretationen und Intensionen. Insbesondere, wenn man nach neuen Glaubenswegen und geistigen Werten sucht. Kann Kunst zum Meditieren oder Glauben anregen? Könnte sich allerdings jeder fragen, der den „Kreuzweg“ schon mal verinnerlicht hat. Leider sind nach der Ausstellung in der Kölner Messehalle zwei Kreuzwegstationen verschwunden, so dass der ganze „Kreuzweg“ nicht mehr existiert. Die Kripo Köln ermittelt noch.

 

Dafür ist die 15. Station vom „Kreuzweg“ in der Berliner „Kunstgalerie Prinz“ zu sehen. Untergebracht in einem Schloss in Spandau, einem Besitz der Familie Prinz, wird die Kunstgalerie mit viel Liebe von Tatjana und Stefan Prinz betrieben. Das Haus bietet in jeden Raum eine andere Kunstrichtung. Den Höhepunkt stellt jedoch die Dauerausstellung „Mein Leben im Holz“ von Helmut Frelke dar. Außer den Ausstellungen organisiert die Kunstgalerie verschiedene Bildungsprogramme. Tatjana Prinz unterrichtet hier Deutsch und Russisch, Helmut Frelke leitet einen Malereikurs.

 

„Am Theater habe ich anders denken gelernt“

 

 

Auch bei anderen Kunstrichtungen und Techniken beweist Frelke eine wahre Experimentierlust: Weder bizarr plakative Bildkreationen noch abstrakte oder realistische Kunst ist ihm fremd. Was seine Kunst jedenfalls so unverkennbar macht, ist die besondere Meisterhandschrift, in der Frelkes gesamte menschliche und künstlerische Erfahrung ausdrucksvoll zur Geltung kommt.

 

Sein Weg zur Malerei begann im kasachischen Dorf in der Nähe von Taldy-Kurgan, wo Helmut Frelke 1951 in einer vielköpfigen russlanddeutschen Familie zur Welt kam. Mit sechs versuchte er sich mit Bleistift und Papier auszudrücken, weiter wurde er vom Zeichenlehrer in der Schule unterstützt, der in ihm sofort ein Talent erkannte. Nach der 8. Klasse bewarb sich Helmut für einen Kunstfernstudium an der Volksuniversität Moskau, was damals 24 Rubel im Jahr kostete - ein Haufen Geld für eine Großfamilie.

 

Nach dem Armeedienst studierte Frelke Malerei an der Serow-Kunstschule in St. Petersburg, die er mit Auszeichnung absolvierte, und schließlich an der Repin-Akademie für Malerei bei Prof. Kotschergin, einem der besten Theatermaler Russlands. Die ganze Freizeit widmete er Malstudien in der Eremitage, wo er die alten Meister Rubens, Velazquez, Veronese und Rembrandt kopierte.

 

Bevor er 1989 nach Deutschland ausreiste, war Helmut Frelke drei Jahre Bühnengestalter am Dramatischen Staatstheater in St. Petersburg. „Gerade am Theater habe ich anders denken gelernt“, sagt er. Das Theater war schon damals symbolistisch und surrealistisch. Was in der bildenden Kunst Tabu war oder nicht akzeptiert wurde, war im Theater zulässig. Für einen jungen Künstler eine sehr gute Schule. Auch in Deutschland konnte Frelke bis 1993 als Bühnenbildner am Staatstheater in Braunschweig dem gewohnten Beruf nachgehen. Bis er für sich die und die Holzmalerei entdeckte.

 

„Mein Leben im Holz“ – die Natur selbst ist die Leinwand

 

 

Eigentlich folgt Helmut Frelke in seiner Holzmalerei dem Rat des Italieners Leonardo da Vinci, der sich für seine berühmten Wandmalereien auch von den geheimnisvollen Umrissen, Konturen und Schatten an der Wand inspiriert haben soll. Das Holz habe seine Philosophie, es habe die ganze Geschichte der Menschheit aufgesogen und verschlüsselt. Man müsse diesem Geheimnis nur auf die Spur kommen, so auch Frelkes Überzeugung. „Das Bild liegt im Holz verborgen, ich muss dem Holz nur das Geheimnis entlocken“, beschreibt er den Prozess. Auf eine Holzgrundlage wird eine dünne Wurzelholzschicht gepresst. Die ein bis drei Millimeter dünnen Schnitte durch das Wurzelholz weisen einmalige Muster und Konturen auf, die die Phantasie des Künstlers anregen. Jedes Holzmuster hat seinen eigenen Charakter, die Phantasie des Künstlers ergänzt nur die Natur. Das besondere an der Holzmalerei ist, dass jedes Werk unabhängig von der Maltechnik ein Unikat ist. Denn jeder weitere Schnitt durch das Holz, auch wenn es zwei Millimeter mehr sind, weist andere Maserungen und Muster auf. Die Farben braucht der Künstler nur, um die Details und Konturen zu unterstreichen und hervorzuheben.

 

Was sich als einfach anhört, ist in Wirklichkeit, abgesehen vom erstaunlichen künstlerischen Handwerk, geistige Schwerstarbeit. Jedem neuen Werk gehen eine lange Denkarbeit, Dutzende Skizzen und auch Meditieren voraus. Im Zwiegespräch mit dem Holz, versucht der Künstler in Gedanken in das Innere des Holzes einzutauchen und zu einer gewissen Offenbarung zu gelangen. So wird ein Bild geboren: Ganze Szenen und magische Umrisse erscheinen dort, wo sie zuvor nur erahnt werden konnten, sie werden quasi aus dem Holz geboren - die Natur selbst ist die Leinwand. Die natürliche Maserung des Holzes und die Malerei verschmelzen zu einer Einheit.

 

Für seine Holzmalerei verwendet Frelke nur Wurzelholz – Mahagoni, Myrte, Olivenholz oder französischen Nussbaum. Edelholzfurnieren kommen nach Europa bzw. Deutschland aus Übersee. Schon Fürsten und Könige ließen ihre Möbel mit verschiedenen Wurzelholzfurnieren bauen und verschönern. Heute sind die Einzelstücke nur noch in Museen zu besichtigen.

 

Auch Frelkes Kunstwerke haben absoluten Seltenheitswert. Bundesweit verharrten zahlreiche Betrachter stundenlang vor seinen Bildern. Frelke entlockt dem Holz nicht nur sein Geheimnis, indem er mal groteske, mal romantische oder auch biblische Szenen und Motive kreiert. Weil sie so viel Freiraum auch für eigene Intensionen lassen, strahlen sie diese besondere Magie aus. Sie inspirieren den Geist, ohne die Meinung des Künstlers aufzuzwingen. Eine Gratwanderung, die Frelkes Kunst so faszinierend macht.

 

Nina Paulsen