Völkermord an den Russlanddeutschen

 

 

Am 18. Juli 1941, noch vor Eintreffen der deutschen Wehrmachtsverbände, ließ der sowjetische Diktator Josef Stalin aus Furcht vor einer Kollaboration mit dem Feind fast 53.000 Russlanddeutsche von der Krim „auf ewige Zeiten“ vertreiben. In aller Eile mussten sie das Nötigste zusammenpacken und wurden, zusammengepfercht in Viehwaggons, hauptsächlich nach Kasachstan transportiert. Viele starben schon an den Strapazen der monatenlangen Todesfahrten bzw. -Märsche.

 

Dann folgten die Deportationsstrafmaßnahmen der Russlanddeutschen aus Zentralrussland, der Oka- und Wolgaregionen. Insgesamt wurden ca. 3 Millionen Russlanddeutschen in Konzentrationsarbeitslagern und überwachten Konzentrationsgebieten eingezäunt.

Die streng geheimen Verordnungen des Staatskomitees für Verteidigung Nr. 1123cc vom 10. Januar 1942 ‚Über die Nutzbarmachungsordnung der deutschen Übersiedler des militärdienstpflichtigen Alters, Alterstufe 17 – 50‘ und Nr.: 2383cc vom 7. Oktober 1942 ‚Über die zusätzliche Mobilmachung der Deutschen für die UdSSR Volkswirtschaft‘, die vom Diktator Josef Stalin unterschrieben worden sind, leiteten den Völkermord an den Russlanddeutschen ein.
Die Analyse und Gegenüberstellung dieser Dokumente mit den Klauseln der ‚Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes‘, lässt das objektive Urteil über den Charakter der Verordnungen abzugeben zu. Dem „Art. II‘ der ‚Konvention‘ gemäß, „bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Zu diesen Maßnahmen gehören auch:

 

„c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“
Die Verpflegung der „mobilisierten“ Russlanddeutschen wurde nach GULAG Normen festgelegt (Ab. 6 der ‚Verordnung 1123 cc‘). Ohne Gerichtsverfahren wurden alle russlanddeutschen Männer des reproduktiven Alters den kriminellen Verbrechern gleichgestellt und dem Untergang vor Hunger geweiht. Zu den „Böswilligen“ konnte „die höchste Strafe“, d.h. Erschießung, angewandt werden (Ab. 5 der ‚Verordnung 1123 cc‘). In Weißrussland, die von den Kriegshandlungen am schwersten mitgenommen gewesen war, ging jeder vierte Einwohner unter. In rückwärtigen Gebieten, in den Kohlengruben und Holzschlägen - jeder dritte Russlanddeutsche. In Zechen Sibiriens dauerte die Arbeitswoche für Russlanddeutschen nicht 7 Tage, wie bei anderen, sondern 10 Tage. Der Arbeitstag unter Tage dauerte von 12 bis 16 Stunden.

 

„d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind“
Die Verordnung 2383 cc ordnete die Trennung der russlanddeutschen Frauen und Männer der reproduktiven Altersstufen an. Alle russlanddeutschen Männer von 15 Jahren (eigentlich noch Kinder des Pubertätsalters – W.F.) bis 55 Jahren (Ab. 1 der ‚Verordnung 2383 cc‘) und alle russlanddeutschen Frauen von 16 (auch Kinder) bis 45 Jahren (Ab. 2a der ‚Verordnung 2383 cc‘) wurden zu verschieden Konzentrationslagern bzw. Konzentrationsgebieten, die von einander durch zighunderte und zigtausende Kilometer getrennt gewesen waren, abtransportiert. Männer wurden zur Sklavenarbeit in den Kohlgruben im Ural und in Kasachstan gezwungen (Ab. 7a der ‚Verordnung 2383 cc‘) und Frauen - gen Taiga Holzschlägen im Wildnis fortgeschafft (Ab. 1b der ‚Verordnung 2383 cc‘).

 

„a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe“

 


Zeichnung von Johanna Jenn

 

„e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.“
Dem heuchlerischen Ab. 3a der ‚Verordnung 2383 cc‘ gemäß, mussten alle russlanddeutsche Kinder älter als drei Jahre „den anderen Familienangehörigen“, „Verwandten“ oder den „deutschen Kollektivwirtschaften“ übergeben werden. Schon im Vertreibungschaos von 1941 waren die russlanddeutsche Familien und Verwandtschaftskreise bei der Willkür der Behörde fast komplett zerrfetzt worden! De jure und de facto gab es in der Sowjetunion 1942 überhaupt keine „deutschen Kollektivwirtschaften“! Allerdings, den Hohepunkt des Holocausts (aus griechischen ὁλοκαύτωμα [holokáutoma] ‚vollständig Verbranntes’) den Russlanddeutschen gegenüber beinhaltet Ab. 3b der ‚Verordnung 2383 cc‘: „Die örtlichen Sowjets der Volksdeputierten (d.h. die bolschewistischen Vertretungen – W.F.) sind verpflichtet die Maßnahmen zur Unterbringung („устройству“) der ohne Eltern hintergelassenen Kinder zu ergreifen.“ Im Oktober 1942 gab es keine „Unterbringungsmöglichkeiten“ für die zum sicheren Tod geweihten zigtausenden russlanddeutschen Kinder in öden kasachischen Steppen oder in der Nordpol nahen sibirischen Taiga, worin sie mit den Eltern Ende 1941 verschleppt worden waren! Die Mehrheit von diesen war gewaltsam in den überfüllten Waisenhäusern „untergebracht“ worden. Nun wurden die minderjährigen Geschwister voneinander getrennt und der Willkür der deutschfeindlichen Fernstehenden ausgesetzt.

 


Zeichnung von Johanna Jenn

 

Ein Bettelkind in Sibirien

 

Es trippelt und stolpert bei Schnee und Wind,
Auf sibirischen Wegen ein deutsches Kind.
Die Eltern, die nahm man ihm weg mit Gewalt.
Und Oma ist krank und der Ofen ist kalt.

 

Drei Tage kein Brot im ganzen Haus,
So trieb es der Hunger zum Betteln hinaus.
Fremd ist ihm die Sprache im wildfremden Ort,
es kennt nur ein einziges russisches Wort.

 

Statt Brot sagt es „Chleb“, streckt sein Händchen hervor
Frierend, vergebens, vor manch fremdem Tor.
„Zum Betteln such dir einen anderen Ort!“
Man stößt und jagt es mit Drohungen fort.

 

Ihm schwindelst vor Hunger, die Kraft geht schon aus,
Der Abendwind treibt es zum Dorfe hinaus.
Die Nacht ist stockfinster und heftig der Wind,
Sibirische Straßen gefahrdrohend sind.

 

Der Sturm rast vorüber, die Wolken ziehen ab,
Am Rande des Weges – ein Kind ohne Grab.
Sein flehendes Händchen zum Himmel bedeckt,
Vom schneeweißen Leichtuch es gnädig bedeckt.

 

1942. Autor unbekannt

 

Aktionsplan zur Rehabilitation der Russlanddeutschen von Dr. Viktor Kießling (auf Russisch), veröffentlicht am 05.12.2014